von Peter Bruchhausen, Rechtsanwalt u. Fachanwalt für Miet- und WEG-Recht
Das Coronavirus wirbelt das Geschäftsleben durcheinander. Die von Bundes- und Landesregierungen zur Eindämmung des Virus verfügten Kontaktverbote und Betriebsschließungen führen dazu, dass viele Mieter die Mietobjekte derzeit nicht mehr nutzen können. Der Einzelhändler kann seine Ware nicht mehr verkaufen, der Friseur nicht mehr Haare schneiden, die Gaststätte keine Gäste mehr empfangen. Es stellt sich daher die Frage, ob eine Mietminderung möglich ist.

Was hat der Gesetzgeber geregelt? Und was nicht?
Der Gesetzgeber hat auf die neue Situation dadurch reagiert, dass er durch eine befristete gesetzliche Neuregelung in Art. 240 § 2 Abs. 1 EGBGB das eigentlich bei Zahlungsverzug bestehende Kündigungsrecht des Vermieters beschränkt hat, wenn die Miete vom Mieter aufgrund der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie nicht mehr gezahlt werden kann.
Zu den Einzelheiten: Coronavirus – was jetzt für Vermieter wichtig ist
Die gesetzliche Neuregelung ändert nichts an der Mietzahlungspflicht, suspendiert nur für eine gewisse Zeit das Kündigungsrecht des Vermieters. Offen bleibt die Frage, ob überhaupt und gegebenenfalls in welcher Höhe der Mieter Miete zahlen muss, wenn er das Mietobjekt wegen der behördlich angeordneten Einschränkungen nicht nutzen kann.
Wann kann ein Mieter mindern?
Wie aus der Tagespresse bekannt ist, gibt es mehrere große Unternehmen, die angekündigt haben, einstweilen keine Miete mehr zu zahlen, unter anderem mit dem Argument, sie könnten die Mietsache nicht nutzen. Rechtlich bedeutet das, die Mieter wollen die Miete mindern. Eine Mietminderung ist möglich, wenn die Mietsache einen Mangel aufweist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können auch behördliche Gebrauchshindernisse und Beschränkungen die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch in einer Weise aufheben oder mindern, dass dies einen Mangel der Mietsache begründet. Es handelt sich um einen sogenannten Umweltmangel.
Welche Grundsätze hat der BGH bisher entwickelt?
Für das Gewerbemietrecht hat der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung aus dem Jahre 2011, in dem es um Auswirkungen eines vom Gesetzgeber eingeführten Rauchverbots auf eine verpachtete Gaststätte ging, folgende Grundsätze aufgestellt:
„Öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und Gebrauchsbeschränkungen, die dem vertragsgemäßen Gebrauch eines Pachtobjekts entgegenstehen, begründen nach der Rechtsprechung des BGH allerdings nur dann einen Sachmangel im Sinne der §§ 536 ff. BGB, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit der Pachtsache beruhen und nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Pächters ihre Ursache haben. […]
Ergeben sich aufgrund von gesetzgeberischen Maßnahmen während eines laufenden Pachtverhältnisses Beeinträchtigungen des vertragsmäßigen Gebrauchs eines gewerblichen Pachtobjekts, kann dies nachträglich einen Mangel im Sinne von §§ 581 Abs. 2, 536 Abs. 1 Satz 1 BGB begründen. […] Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die durch die gesetzgeberische Maßnahme bewirkte Gebrauchsbeschränkung unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Pachtobjekts in Zusammenhang steht. Andere gesetzgeberische Maßnahmen, die den geschäftlichen Erfolg beeinträchtigen, fallen dagegen in den Risikobereich des Pächters.”
In damals zu entscheidenden Fall hat der Bundesgerichtshof das vom Gesetzgeber eingeführte Rauchverbot als nicht auf der konkreten Beschaffenheit der Pachtsache beruhend angesehen, sondern gemeint, dieses knüpfe an die behördlichen Verhältnisse des Pächters an, weswegen diesem keine Minderungsansprüche zustünden, da es keinen Mangel der Pachtsache gebe.
Gilt das auch für die Coronavirus-Pandemie?
In der aktuellen Situation können viele gewerbliche Mieter ihre Mietsache deswegen nicht nutzen, weil der Gesetzgeber die Schließung bestimmter Betriebe angeordnet hat, um die typischerweise in diesen Betrieben anzufindenden Menschenansammlungen zu verhindern und damit der ansonsten drohenden unkontrollierten Verbreitung des Coronavirus entgegenzutreten. Der Gesetzgeber knüpft mit seiner Regelung also an ein bestimmtes durch den Betrieb des jeweiligen Mieters hervorgerufenes Risiko an, nicht hingegen an Art und/oder Beschaffenheit des Mietobjekts.
Damit liegt im Sinne der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein betriebsbezogener Eingriff vor, weil die Schließung letztlich aufgrund der konkreten Tätigkeit des Mieters und nicht aufgrund des Mietobjektes geschieht. Einen Mangel der Mietsache wird man daher in der Regel nicht annehmen können.
Festzuhalten ist indes, dass die juristische Diskussion noch im Fluss ist und auch anderweitige Auffassungen vertreten werden. Nicht sicher prognostiziert werden kann auch, ob die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf die jetzige Ausnahmesituation in vollem Umfange übertragen werden kann.
Was könnte sonst gelten?
Die besondere Problematik der Coronavirus-Pandemie besteht darin, dass weder die Pandemie noch ihre konkreten Auswirkungen sich irgendjemand vor Monaten hätte vorstellen können. Man muss daher auch an die gesetzliche Regelung zur sogenannten Störung der Geschäftsgrundlage in § 313 BGB denken, die auszugsweise wie folgt lautet:
„Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorher gesehen hätten, so kann die Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.“
In nahezu allen Fällen dürfte die Corona-Pandemie mit ihren aktuellen konkreten Auswirkungen bei Vertragsschluss von beiden Vertragspartnern auch nicht im entferntesten einkalkuliert worden sein. Dass es aufgrund der Pandemie zu einer wochenlangen Stilllegung des öffentlichen Lebens mit entsprechenden Betriebsschließungen kommen würde, daran werden weder der Vermieter noch der Mieter gedacht haben. Daher dürfte eine für die Zeit der Ausnahmesituation befristete Vertragsanpassung nach den Regelungen zur Störung der Geschäftsgrundlage die dem Gesetz am ehesten entsprechende Lösung darstellen. Letztlich kommt es hier dann auf jeden Einzelfall an.
Was soll der Vermieter tun?
Zahlt der Mieter nicht und beruft sich gegenüber dem Vermieter auf Minderung, sollte dem deutlich widersprochen werden. Gleichzeitig sollte versucht werden, mit dem Mieter eine einvernehmliche Lösung unter Berücksichtigung der Grundsätze zur Störung der Geschäftsgrundlage zu erzielen. Dies kann eine teilweise Reduzierung der Miete bedeuten, möglicherweise aber auch nur eine Stundung der Miete für eine gewisse Zeit, wobei dann gleichzeitig eine Ratenzahlungsvereinbarung unter Berücksichtigung der weiter anfallenden Kosten und Zinsen zu treffen wäre. Letztlich muss immer eine individuelle Lösung im Einzelfall gefunden werden.
Was soll der Mieter tun?
Da eine Minderung äußerst risikobehaftet ist, sollte der Mieter eine solche nur nach vorheriger anwaltlicher Prüfung und Beratung vornehmen. Sinnvoll ist auch für den Mieter das Gespräch mit dem Vermieter zu suchen, um eine dem Einzelfall angemessene Lösung unter Berücksichtigung der Grundsätze zur Störung der Geschäftsgrundlage zu finden.
Was können wir für Sie tun?
Ob Sie Vermieter sind oder Mieter – wir unterstützen Sie gern in ihrer schwierigen Situation und prüfen die Rechtslage anhand ihres Mietvertrages und der gesetzlichen Regelungen im Hinblick auf ihre bestehenden Möglichkeiten. Unabhängig davon, ob es zu einer streitigen Auseinandersetzung mit ihrem Vertragspartner kommt oder einvernehmliche Lösungen angestrebt werden, vertreten wir Ihre Interessen.
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Peter Bruchhausen, Rechtsanwalt / Fachanwalt für Miet- und WEG-Recht