von Dr. Jan Finzel, Rechtsanwalt u. Fachanwalt für Versicherungsrecht
Das OLG Köln konkretisiert die Anforderungen an den Verweisungsberuf.
Hat ein Versicherer einmal die Berufsunfähigkeit eines Versicherungsnehmers (VN) anerkannt, ist er an diese Entscheidung gebunden. Er kann erst dann die Leistungen einstellen, wenn sich die gesundheitliche Lage des VN gebessert hat oder der VN eine andere, vergleichbare Tätigkeit (sog. Verweisungsberuf) ausübt bzw. ausüben kann. Ob ein Verweisungsberuf für den VN zumutbar ist, war Gegenstand einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung des OLG Köln.
Was war geschehen?
Der VN, früherer Profi-Handballspieler, war berufsunfähig und erhielt seit 2002 Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Im Laufe der Jahre orientierte sich der VN beruflich neu, schloss ein Fachhochschulstudium ab und arbeitete fortan als Wirtschaftsingenieur im Bereich der Projektleitung. Sein Monatsgehalt lag mit gut 2.000 € netto nur knapp unterhalb des vorherigen Verdienstes als Handballspieler (2.300 €). „Dann ist er ja nicht mehr berufsunfähig“, meinte der Versicherer und stellte Anfang 2009 die BU-Leistungen ein. Hiermit war der VN nicht einverstanden und erhob Klage.
Die Entscheidung des OLG Köln
Das OLG Köln entschied, dass die frühere Lebensstellung des VN mit der Aufnahme seiner Tätigkeit als Wirtschaftsingenieur nicht gewahrt ist. Dies allerdings nicht etwa, weil der VN in seinem neuen Beruf nicht mehr „prominent“ ist, sondern wegen der Einkommenseinbußen im neuen Beruf. Die Beweisaufnahme ergab, dass der VN seinen Nettolohn als Handballspieler mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 11 Wochenstunden bzw. 44 Stunden pro Monat erzielte. Dies entspricht einem Stundensatz von 52,29 €. Als Wirtschaftsingenieur muss er nun für fast denselben Monatslohn 150 Stunden arbeiten, was einem Stundensatz von 13,62 € entspricht. Diese Einkommenseinbuße ist nicht hinnehmbar, so das OLG, welches der Klage des Versicherungsnehmers stattgab.
OLG Köln, Urteil vom 22.7.2011, Aktenzeichen: 20 U 127/10