Der BGH hat sich jüngst mit der Haftung eines vom Gericht beauftragten Sachverständigen beschäftigt. Dabei ging es um die Frage, ob der Sachverständige auf Schadensersatz haftet, wenn er leichtfertig ein falsches Gutachten erstellt und die die Parteien daraufhin einen Vergleich schließen.
Was war geschehen?
Die Klägerin, eine Druckerei, hatte eine Druckmaschine erworben. Nach Inbetriebnahme stellte sie fest, dass die Druckgeschwindigkeit der Maschine zu langsam war, und erhob gegen die Verkäuferin Klage auf Schadensersatz. Der anschließend vom Landgericht beauftragte Sachverständige kam allerdings zu dem Ergebnis, dass keine verminderte Druckgeschwindigkeit vorliege.
Das Gutachten hatte weitreichende Folgen: das Landgericht wies die Klage ab; im anschließenden Berufungsverfahren schlug das Oberlandesgericht einen für die Klägerin ungünstigen Vergleich vor, den sie im Hinblick auf das Gutachten dann abschloss.
Daraufhin nahm die Klägerin den vom Gericht beauftragten Sachverständigen auf Schadensersatz in Anspruch. Dieser habe, so die Klägerin, vorsätzlich oder leichtfertig gewissenlos ein falsches Gutachten erstellt, auf das das Oberlandesgericht seinen Vergleichsvorschlag gestützt habe. Sie verlangte vom Sachverständigen Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens.
Die rechtliche Ausgangslage
Gem. § 839a BGB gilt: erstattet ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten, so ist er zum Ersatz desjenigen Schadens verpflichtet, der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf diesem Gutachten beruht.
Rechtlicher Knackpunkt ist hier der Begriff „gerichtliche Entscheidung“. Im vorliegenden Fall hatte das Oberlandesgericht im Vorprozess lediglich einen Hinweisbeschluss erlassen und einen Vergleichsvorschlag unterbreitet. Die Parteien hatten daraufhin einen Vergleich geschlossen, eine gerichtliche Entscheidung erging nicht mehr.
Dementsprechend wiesen anschließend sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht die Klage gegen den Sachverständigen ab.
Die Lösung des BGH
Dem trat der BGH nun entgegen: er entschied, dass eine Haftung des Sachverständigen auch dann in Betracht kommt, wenn die Parteien im Vorprozess einen Vergleich schließen. Die Haftung ergebe sich aus einer analogen Anwendung des § 839a BGB.
Zur Begründung weist der BGH darauf hin, dass es keinen Unterschied machen könne, ob ein falsches Gutachten dazu führt, dass der Rechtsstreit durch ein Gerichtsurteil oder einen Vergleich beendet wird. In beiden Fällen vertrauen die Parteien auf die Richtigkeit des Gutachtens, so dass es sachgerecht ist, den Sachverständigen haften zu lassen, wenn sich sein Gutachten im Nachhinein als Unrecht erweist.
Fazit
Der BGH schließt damit eine Haftungslücke, die sich ergibt, wenn eine Partei im Hinblick auf ein für sie ungünstiges Gerichtsgutachten einen nachteiligen Vergleich schließt.
Stellt sich später heraus, dass das Gerichtsgutachten grobe Fehler enthält, kann sie nun den vom Gericht beauftragten Sachverständigen auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Dieser kann sich dann nicht damit verteidigen, dass der Vorprozess nicht durch Urteil entschieden wurde. Er haftet auch dann, wenn eine Partei im Hinblick auf das für sie ungünstige Gutachten einen nachteiligen Vergleich schließt.
BGH, Urt. v. 25.06.2020, III ZR 119/19
Dr. Finzel, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht