von Dr. Jan Finzel, Rechtsanwalt u. Fachanwalt für Versicherungsrecht
Das Verschweigen von Erkrankungen bei Beantragung einer Berufsunfähigkeitsversicherung ist Gegenstand zahlreicher Gerichtsverfahren. Der Artikel befasst sich mit einer kürzlich ergangenen Entscheidung des OLG Karlsruhe, in welcher eine Versicherungsnehmerin trotz der Nichtangabe gesundheitlicher Beschwerden gleichwohl Leistungen aus der BU-Versicherung verlangen konnte.
Wird ein Berufstätiger wegen einer ernsten Erkrankung berufsunfähig, kann er froh sein, wenn er in gesunden Tagen eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen hat. Denn diese existentiell wichtige Versicherung kann letztlich vor dem finanziellen Ruin schützen, wenn man nicht mehr in der Lage ist, seinen Beruf auszuüben.
Berufsunfähigkeitsversicherer prüfen allerdings genau, ob sie leistungspflichtig sind. Im Rahmen der Leistungsprüfung wird auch untersucht, ob der Versicherungsnehmer bei Beantragung der Versicherung die Gesundheitsfragen richtig beantwortet hat. Ist dies nicht der Fall, geschieht es häufig, dass sich der Versicherer auf Leistungsfreiheit wegen sog. Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht beruft.
So geschehen in einem kürzlich vom OLG Stuttgart entschiedenen Fall. Eine Versicherungsnehmerin machte geltend, sie sei aufgrund Depression, Panikstörung und sozialer Phobie berufsunfähig, und begehrte Rentenzahlungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung.
Nicht mit uns, so die beklagte Versicherung. Sie machte geltend, die Versicherungsnehmerin habe im Antragsformular nicht angegeben, dass sie bereits vor Antragstellung unter Schlafstörungen, Angst, Traurigkeit und Überlastung gelitten und eine Mutter-Kind-Kur genommen hatte.
Wie entschied das OLG Karlsruhe?
Einerseits weist das Gericht darauf hin, der Versicherungsnehmer dürfe sich bei Beantwortung der Gesundheitsfragen weder auf Krankheiten oder Schäden von erheblichem Gewicht beschränken noch sonst eine wertende Auswahl treffen und vermeintlich weniger gewichtige Gesundheitsbeeinträchtigungen verschweigen.
Andererseits jedoch finde diese weit gefasste Pflicht zur Offenbarung ihre Grenze bei Gesundheitsbeeinträchtigungen, die offenkundig belanglos sind oder alsbald vergehen. Hierüber erhob das Gericht Beweis und kam letztendlich zu dem Ergebnis, die Versicherungsnehmerin habe berechtigterweise davon ausgehen dürfen, dass es sich bei den zeitweilig aufgetretenen Beschwerden lediglich um Beeinträchtigungen ihres Wohlbefindens handelte, die alsbald vergehen und für die Risikoabschätzung der Beklagten offenkundig ohne Belang sind.
Das OLG gab der Klage der Versicherungsnehmerin daher statt.
Quelle: OLG Stuttgart, Urt. v. 10.06.2010, 7 U 179/09
Dr. Finzel, Rechtsanwalt / Fachanwalt für Versicherungsrecht