von Dr. Jan Finzel, Rechtsanwalt u. Fachanwalt für Versicherungsrecht
Die Berufsunfähigkeitsversicherung gehört zu den am stärksten umkämpften Bereichen des Versicherungsrechts. Grund genug, sich mit den häufigsten Streitpunkten zu befassen, die die Gerichte immer wieder beschäftigen.
Im zweiten Teil dieser Beitragsreihe geht es um einen weiteren, besonders praxisrelevanten Streitpunkt:
Das Nachprüfungsverfahren
Hat der Versicherer die Berufsunfähigkeit einmal anerkannt, kann er sich von dieser Zusage nur lösen, wenn er ein sog. Nachprüfungsverfahren durchgeführt hat. Dazu muss der Versicherer nachweisen, dass die Berufsunfähigkeit weggefallen ist.
Ein Wegfall der Berufsunfähigkeit kommt in Betracht, wenn sich der Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers verbessert hat und er wieder in der Lage ist, seiner früheren beruflichen Tätigkeit zu mehr als 50 Prozent nachzugehen.
Berufsunfähigkeit liegt außerdem dann nicht mehr vor, wenn der Versicherungsnehmer eine sog. Verweisungstätigkeit ausübt. Worum geht es dabei?
Verweisungstätigkeit
Wenn der Versicherungsnehmer eine neue berufliche Tätigkeit aufgenommen hat, kann ihn der Versicherer unter bestimmten Voraussetzungen auf diese neue Tätigkeit verweisen. Allerdings darf die neue berufliche Tätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordern als der früher ausgeübte Beruf. Außerdem darf die neue Tätigkeit nicht in ihrer Vergütung sowie in der sozialen Wertschätzung spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufs absinken.
Ob eine Verweisungstätigkeit vorliegt, ist stets nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Die Rechtsprechung hat zu jedem der genannten Kriterien („deutlich geringere Kenntnisse und Fähigkeiten“, „spürbares“ Absinken der Vergütung) eine umfangreiche Kasuistik entwickelt. Folgendes mag als Beispiel genannt werden:
Anschaulich ist auch der Fall, in dem der Versicherer einen früheren Profi-Handballspieler, der berufsunfähig geworden war, auf die anschließend ausgeübte Tätigkeit als Wirtschaftsingenieur verwies – zu Unrecht, so das OLG Köln:
Wirksame Verweisung? Auf den Stundenlohn kommt es an!
Änderungsmitteilung
Beruft sich der Versicherer auf eine Verbesserung des Gesundheitszustands des Versicherungsnehmers, ist weitere Voraussetzung für eine wirksame Leistungseinstellung, dass eine nachvollziehbare Änderungsmitteilung vorliegt.
Nach der Rechtsprechung muss der Versicherer hierzu dem Versicherungsnehmer diejenigen Informationen an die Hand geben, die er benötigt, um sein Prozessrisiko abschätzen zu können. Hierzu ist u.a. eine Vergleichsbetrachtung erforderlich, in der näher dargelegt wird, welche gesundheitlichen Einschränkungen bei Anerkenntnis der Berufsunfähigkeit vorlagen, und inwiefern diese heute weggefallen sind.
Entspricht die Änderungsmitteilung nicht den strengen Anforderungen der Rechtsprechung, ist die Leistungseinstellung unwirksam. So reicht es beispielsweise nicht aus, wenn der Versicherer ein zum Teil geschwärztes Gutachten übermittelt (OLG Hamm, Beschluss vom 27.09.2017, I-20 U 96/17).
Zum Autor:
Dr. Jan Finzel ist seit 2002 als Rechtsanwalt auf dem Gebiet des Versicherungsrechts, insbesondere des Personenversicherungsrechts, tätig und seit 2006 Fachanwalt für Versicherungsrecht.